Nicht selten werden Fotos von Kindern in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram oder gar auf Dating-Portalen hochgeladen. Oftmals mit der Einwilligung eines oder beider Elternteile. Auch wenn der Upload auf Instagram und Co meist gut gemeint ist, hat dies in der Zukunft oft schwerwiegende Folgen für die betroffenen Kinder. Dass die Einwilligung eines einzelnen von zwei sorgeberechtigten Eltern nicht ausreicht, zeigt der im Folgenden besprochene Beschluss des OLG Düsseldorf.
Quelle: Dr. Datenschutz 17.10.2021
Besonders zu schützen und oft vergessen
Kinder verdienen einen besonderen Schutz. Das fängt bei alltäglichem an und reicht bis zum Datenschutz. Das sollte man zumindest meinen. Schaut man in soziale Netzwerke, bekommt man oft einen ganz anderen Eindruck. Ob Schwimmbadbesuch, Geburtstagsfeier, Bilder beim Essen, Schlafen oder gar beim Stillen– viele Eltern lichten ihre Kinder regelmäßig ab und nicht selten landen solche Bilder dann auch im Internet. Teilweise werden derartige Bilder sogar bewusst veröffentlicht, um damit Geld zu verdienen.
Nicht nur zur Gewinnerzielung und Werbung ist die Verwendung von Kinderbildern problematisch. Aber gerade in diesem Zusammenhang. Das OLG Düsseldorf hat in Bezug auf derartige Werbung und der Einwilligung von Eltern einen Beschluss 20.07.2021 (Az.: 1 UF 74/21) veröffentlicht.
Wenn beide Eltern streiten…
In der vorliegenden Entscheidung des Oberlandesgerichts waren beide Eltern sorgeberechtigt, lebten jedoch getrennt. Die Lebensgefährtin des Kindesvaters betrieb einen Friseursalon und nahm Fotos der Kinder der Eheleute auf, welche sie später auf Facebook und Instagram zur Werbung für ihr Friseurgewerbe verbreitete. Der Kindesvater stimmte einer solchen Veröffentlichung zu.
Die Kindesmutter lehnte eine solche Veröffentlichung jedoch ab und forderte die neue Lebensgefährtin auf, die auf den Plattformen veröffentlichten, Fotos zu löschen und um weitere Uploads zu verhindern, der Kindesmutter eine unterzeichnete Unterlassungserklärung zukommen zu lassen. Die Lebensgefährtin des Kindsvaters kam der Aufforderung nicht nach. Vielmehr stellte sie weitere Fotos der Kinder in ihre Social-Media-Accounts ein.
… gibt es keine Einwilligung
Das Gericht erläutert, dass das Verwenden der Fotografien dem Einwilligungserfordernis des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit a DSGVO unterfällt. Unter Einwilligung sei in diesem Fall die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als Träger der elterlichen Verantwortung gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 DSGVO zu verstehen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte und der weiten Formulierung des Begriffs „Träger der elterlichen Verantwortung“ geht die Kommentarliteratur davon aus, dass es dem EU-Gesetzgeber hier um eine Heterogenität mit den mitgliedstaatlichen Regelungen des kindlichen Sorgerechts ging (so etwa Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 8 DSGVO Rn. 20).
Nach deutschem Sorgerecht ist die entscheidende Frage bei Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht haben, aber dauerhaft getrennt leben, ob es sich um eine Angelegenheit des täglichen Lebens oder um eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt. Im ersten Fall dürfte nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB die Entscheidung über eine Veröffentlichung von dem Elternteil getroffen werden, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält. Beim letzten Fall bedarf es nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB das gegenseitige Einvernehmen der Sorgeberechtigten. In Anbetracht der Tragweite der Verbreitung von Fotos in sozialen Medien, geht das Gericht von einer Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind aus.
Das Erfordernis einer Einwilligung auch der Kindesmutter ergebe sich außerdem auch aus der Norm des § 22 KUG. Diese knüpfe die Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Bildes des Kindes jedenfalls an die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile. Dabei wird für die ausführliche Begründung dieser Feststellung insbesondere auf das Urteil des OLG Oldenburg (Az.: 13 W 10/18) verwiesen. Leider äußert sich das Gericht in diesem Rahmen nicht zu dem noch immer umstrittenen Verhältnis der DSGVO und dem KUG, da man hier wohl annimmt, dass in beiden Fällen eine Einwilligung beider Elternteile erforderlich ist.
Zudem sei für die Entscheidung unerheblich, dass im Vorfeld auch die Mutter bzw. die Großmutter der Kinder ohne Einwilligung des Kindesvaters Fotos veröffentlicht haben. Maßgeblich sei einzig die jeweilige konkrete rechtswidrige Bildverarbeitung. Aus einem entsprechenden Vorverhalten kann somit nicht eine Einwilligung für zukünftige Uploads gesehen werden.
Tragweite der Veröffentlichung von Fotos: Das Internet vergisst nicht
Einmal im Internet, immer im Internet. Weil es kaum möglich ist, einmal geteiltes aus dem World Wide Web zu entfernen, sind gerade so etwas Kinderfotos, nicht nur im vorliegenden Fall, Streitpunkt für die sorgeberechtigten Eltern. Gerade weil viele Eltern sind sich des Ausmaßes nicht bewusst sind, welches jedes einzelne in sozialen Netzwerken veröffentlichte Foto des Kindes für dieses selbst hat. Entsprechend ist gerade bei jungen Familien das Sharenting, mit dem wir uns datenschutzrechtlich bereits befasst haben, im Trend. Zum Upload von Kinderbildern führte bereits die Vorinstanz, das Amtsgericht Düsseldorf, aus, dass das öffentliche Teilen der Bilder bei Facebook und bei Instagram schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder habe.
Das ergebe sich aus der Tragweite der Verbreitung von Fotos in digitalen sozialen Medien unter Berücksichtigung der hiervon betroffenen Privatsphäre der Kinder und des gebotenen Schutzes ihrer Persönlichkeit. Der Personenkreis, dem die Fotos auf diese Weise zugänglich gemacht werden, sei unbegrenzt. Ihre Weiterverarbeitung sei kaum kontrollierbar. Eine verlässliche Löschung sei nicht mehr möglich, wenn die Bilder sich in den sozialen Netzwerken befänden. Die Kinder würden potenziell mit diesen Abbildungen aus ihrer Kinderzeit für immer seitens eines unbeschränkten Personenkreises konfrontiert sein. Das tangiere spürbar ihre Persönlichkeit und ihre Privatsphäre.
Noch dramatischer sind hingegen Folgen, die das Gericht unberücksichtigt lässt. Werden die Kinder unbekleidet abgelichtet, ist dies nicht nur entwürdigend, sondern macht die sozialen Netzwerke gleichzeitig ansprechend für Pädophile.
Weniger ist mehr
Auch wenn Eltern in der heutigen Zeit immer häufiger Bilder von ihren Kindern nicht mehr nur noch für sich und den engen Familienkreis machen, sondern diese ungefiltert an die gesamte Zuschauerschaft im Internet weiterleiten, so ist dies im späteren Verlauf oft nicht weniger unangenehm für die Kinder. Die Bloggerin Toyah Diebel macht mit der Kampagne #deinkindauchnicht darauf aufmerksam, wie problematisch der Upload von Kinderfotos ist.
Vielen ist es wichtig, stets die Kontrolle darüber zu haben, welche der eigenen Bilder und Daten im Netz landen. Bei Kinderbildern sieht es häufig anders aus. Da sind Bilder von essensverschmierten Gesichtern, schlafenden oder sabbernden Kindern oft nur die Spitze des Eisbergs. Würde man vorab überlegen, ob man derart im Internet dargestellt werden möchte, käme man regelmäßig zu dem eindeutigen Ergebnis: Nein! Gleiches gilt für Werbung. Möchte ich selbst, dass andere ein Bild von mir kostenlos zu Werbezwecken nutzen dürfen? Auch hier fiele bei den meisten die Antwort eindeutig aus.
Datenschutz ist für alle da
Gerade im Hinblick auf die Nutzung und Veröffentlichung von Kinderbildern sollte also besonders vorsichtig vorgegangen werden. Auch die Einwilligung der Kinder kann die Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern nicht ersetzen. Einwilligungsfähig sind Kinder bzw. Jugendliche nämlich erst im Alter von 16 Jahren.
Wer sich früher schon geschämt hat, dass „peinliche“ Kinderfotos aus Nostalgiegründen bei jeder Gelegenheit sämtlichen Verwandten gezeigt wurden, der sollte sich daran ein Beispiel nehmen und keine Kinderfotos im Internet veröffentlichen. Was das Kind in fünf oder zehn Jahren peinlich findet, kann dieses nämlich nur selbst und vor allem erst dann beurteilen, wenn es schon zu spät ist.