Einige Aussagen in der Böhmermann-Sendung ZDF Magazin Royale über den ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, sind rechtswidrig. Es handele sich um mehrdeutige in einer Deutungsvariante unwahre Tatsachenbehauptungen. Das hat das Landgericht (LG) München I www.lto.de/gerichte/aktuelle-urteile-und-adresse/landgericht-muenchen-i entschieden. Sie müssen nun unterlassen werden, eine Geldentschädigung sprach das Gericht Schönbohm aber nicht zu (Urt. v. 19.12.2024, Az. 26 O 12612/23). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, das Urteil liegt LTO vor.
Im Jahr 2022 hatte das ZDF Magazin Royale, moderiert von Jan Böhmermann, Schönbohm zum Thema einer Sendung gemacht und als „Cyberclown“ bezeichnet. Unter anderem ging es darin um die Frage, ob dem Ex-BSI-Chef Nähe zu russischen Akteuren nachgesagt werden könne und er entsprechend ein Sicherheitsrisiko darstelle. Daraufhin hatte das Bundesinnenministerium unter Ministerin Nancy Faeser Schönbohm die Führung der Amtsgeschäfte untersagt und ihn versetzt. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass aufgrund der Böhmermann-Sendung das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Amt des BSI-Präsidenten beschädigt worden sei.
Erst später recherchierte das Ministerium, ob dem Ex-Präsidenten auch tatsächlich ein Vorwurf in der Sache gemacht werden konnte – und zwar im Rahmen eines von Schönbohm selbst angestoßenen Disziplinarverfahrens. Offenbar zum Unmut der Ministerin www.bild.de/politik/inland/politik-inland/vorwuerfe-gegen-die-innenministerin-faeser-und-der-gefaehrliche-geheim-vermerk-85321674.bild.html konnten ihm keinerlei Dienstverstöße nachgewiesen werden. Wegen möglicher Verletzung von Fürsorgepflichten durch seinen Dienstherrn ist derzeit auch eine Klage Schönbohms auf Schadensersatz vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln www.heise.de/news/Boehmermann-Ente-Schoenbohm-verklagt-Bundesinnenministerium-9291025.html anhängig.
Vor dem LG München I ging es nun allerdings um die Sendung des Magazin Royale selbst und um die Frage, ob das ZDF mit der Sendung presserechtliche Sorgfaltspflichten verletzt hat und entsprechend zu Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung verpflichtet ist. LTO berichtete ausführlich über Vorwürfe und Rechtsfragen www.lto.de/recht/hintergruende/h/boehmermann-schoenbohm-faeser-zdf-magazin-royale-bsi. Schönbohm begründete seine Forderungen damit, die angegriffenen Äußerungen stellten unwahre Tatsachenbehauptungen dar. Es werde der unzutreffende Eindruck erweckt, er habe bewusst Kontakt zu russischen Nachrichtendiensten gehabt. Er sei durch die angegriffenen Äußerungen auch besonders schwerwiegend in seinen allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Insbesondere sei er in der Öffentlichkeit in erheblichem Umfang herabgewürdigt worden und habe sein Amt als Präsident des BSI verloren. Aufgrund der besonders schwerwiegenden Natur der Persönlichkeitsverletzung sei diese durch eine Geldentschädigung auszugleichen.
Schönbohm wurde in dem Verfahren vertreten von Rechtsanwalt Markus Hennig von der Kanzlei Hennig Nieber Stechow – Artejura Partnerschaftsgesellschaft aus Berlin. Die Kanzlei Redeker Sellner Dahs hat das ZDF vertreten.
Mehrdeutige unwahre Tatsachenbehauptung
Das ZDF argumentierte dagegen, die Berichterstattung sei keineswegs so zu verstehen, dass man Schönbohm bewusste Kontakte nach Russland unterstellt habe. Vielmehr habe er selbst „unbewusste Kontakte“ zu russischen Geheimdiensten nicht ausschließen können. Die Sendung habe in zulässiger Weise satirisch zugespitzte Kritik am BSI und an Schönbohm als dessen damaligem Präsidenten geübt. Es sei typisches Stilmittel der Satire, dass mit Uneindeutigkeiten gespielt wird, und dadurch etwa Lücken in einer Argumentation oder einer Stellungnahme offengelegt würden.
Das LG hat nun vier von fünf angegriffenen Aussagen untersagt. Schönbohm sei insoweit in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Äußerungen seien als mehrdeutige Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Eine nicht fernliegende Deutungsvariante der Tatsachenbehauptungen sei, dass Schönbohm bewusst Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland unterhalte. Dies ergebe sich zwar nicht bei isolierter Betrachtung der Aussagen, aber aus dem maßgeblichen Kontext des Beitrags, also den Begleitumständen.
Zwei der zu unterlassenden Aussagen lauteten: “In seiner Zeit als Präsident des Vereins ‘Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.’ stand Herr Schönbohm nicht bewusst in Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland oder anderen Ländern. Ne klar nicht bewusst, wie denn sonst? Unbewusst, oder was?” und “Und zweite Frage an Dich: Floppy der Disketten-Clown, wenn dir Kontakte zum russischen Nachrichtendienst nicht bewusst sind, warum sind deinen weirden Vereinsmitgründern mit der Räuberpistole diese Kontakte so bewusst?“. Diese Aussagen fielen im ZDF Magazin Royale selbst, zwei weitere erschienen auf der Seite des ZDF: ”Schönbohm steht wegen möglicher Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen über den umstrittenen Verein ‚Cyber-Sicherheitsrat Deutschland‘ in der Kritik“ und „Er soll Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen gehabt haben“.
Fragen von Böhmermann sollen Tatsachenbehauptungen sein
Für das Gericht lassen sich die Fragen von Böhmermann in der Sendung so verstehen, dass es sich dabei nicht um “offene Frage des Inhalts, ob vielleicht ein unbewusster Kontakt bestanden habe” handelt, sondern “um ein Zurückweisen der Stellungnahme des BSI und ein Beharren auf tatsächlich doch bestehende bewusste Kontakte”. Denn die Formulierung der Frage zeige, dass Böhmermann keine ernstliche andere Antwort als die Bestätigung bewusster Kontakte erwartet (“wie denn sonst?“) bzw. die alternative Antwort als lächerlich ansieht (“unbewusst oder was ?“).
Dass ein Verständnis der Behauptung von russischen Kontakten nicht fernliegt, werde auch aus der Rezeption der Sendung deutlich, indem nämlich verschiedene Medien unter Bezugnahme auf die Sendung ZDF Magazin Royale von “angeblichen Russlandkontakten” Schönbohm berichteten. Entsprechend habe auch das ZDF selbst in den weiteren untersagten Aussagen in einem Nachrichtentext im Internet berichtet.
Somit stelle sich der Fragesatz – wiewohl als Frage eingekleidet – in seinem Kern als Behauptung über “bewusste Kontakte” von Schönbohm zu russischen Geheimdiensten dar. Dies sei prozessual als unwahr anzusehen, da das ZDF derartige bewusste Kontakte nicht habe belegen können.
Auch die Satirefreiheit half dem ZDF nicht weiter. Denn auch wenn es die Eigenheit von Satire sei, mit Verfremdung, Verzerrung, Übertreibung, pointierter Zuspitzung und Ironie zu arbeiten, setzt ihre Wirkung doch einen wahren Tatsachenkern voraus, so das Gericht.
Nur eine der angegriffenen Aussagen überschreite diese Grenze nicht: „Die Cyber-Sicherheit in Deutschland ist in Gefahr, und zwar durch den Chef der Cyber-Sicherheit in Deutschland“. Es handele sich dabei um eine satirisch zugespitzte Meinungsäußerung und nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die deshalb unter Abwägung der konkreten Umstände noch hinzunehmen sei.
Geldentschädigung “ultima ratio”
Einen Anspruch auf Geldentschädigung hat das LG jedoch abgelehnt. Laut Urteil begründet die Kammer das vor allem damit, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei mehrdeutigen Aussagen keine Geldentschädigung in Betracht kommt. Außerdem argumentiert die Kammer, dass Schönbohm nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, der Rechtsverletzung anders und eher entgegenzuwirken, etwa durch einen wesentlich früher geltend gemachten Unterlassungsanspruch oder durch einen Anspruch auf Richtigstellung der angegriffenen Äußerungen in einer weiteren Ausgabe der Sendung ZDF Magazin Royale. Eine Geldentschädigung sei aber “ultima ratio”.
Gegenüber LTO äußert Schönbohms Anwalt Hennig, dass das LG in Bezug auf die Geldentschädigung die Sondersituation Schönbohms als Leiter einer oberen Bundesbehörde nicht ausreichend berücksichtigt habe. “Er war zum einen beamtenrechtlich verpflichtet zu schweigen, zum anderen war die amtliche Untersuchung über die Vorwürfe durch das BMI erst Ende April 2023 abgeschlossen”.
Schönbohm selbst kommentiert zur Entscheidung: “Mit völlig haltlosen Vorwürfen hat Jan Böhmermann meine Integrität zerstört, ebenso irreparabel meine Karriere. Mit der durch nichts gerechtfertigten medialen Hinrichtung wurde außerdem Deutschlands Sicherheit gefährdet.”
Schönbohm prüft, wegen der Versagung der Geldentschädigung in Berufung zu gehen. Ob das ZDF Berufung einlegt, ist noch nicht bekannt.
LG München I zur Sendung von Jan Böhmermann: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2024 , www.lto.de/persistent/a_id/56149 (abgerufen am: 22.01.2025 )